Facing Mecca – Die Kraft neuer Bilder

Es ist ein befremdliches und doch so friedliches Bild: Ein muslimischer Witwer, ein muslimischer Bestatter und ein Schweizer im fortgeschrittenen Alter stehen in einem Waldstück irgendwo in der Schweiz und beten gemeinsam am Grab einer verstorbenen Muslima. Die Beisetzung steht am Ende einer Reihe von verwirrenden Wegen des Suchens und Versuchens.
Am Anfang dieses Weges steht ein trauriger, jedoch nicht ungewohnter Auslöser: Fareed, ein syrischer Flüchtling, möchte in einer Schweizer Gemeinde seine an Krebs gestorbene Frau beerdigen – ausgerichtet nach Mekka und innerhalb der vorgeschriebenen 24 Stunden. Das gestaltet sich schwierig, er stösst auf schier unüberwindbare, bürokratische Hindernisse. Unterstützung findet Fareed bei Roli, einem engagierten Senior (berührend gespielt von Peter Freiburghaus), der die Dinge nach seinem Herz und weniger nach Paragrafen beurteilt. «Das versteht man doch, also ein Mensch versteht das», engagiert er sich an einer Stelle des Films gegenüber dem Gemeindeammann. Nach unendlichen Irrungen und Wirrungen sieht man den Sarg in einem Flugzeug Richtung Syrien abheben – doch der Sarg ist leer. Roli hat der Menschlichkeit zum Durchbruch verholfen, Fareeds Frau findet in einem Waldstück ihre Ruhe: ausgerichtet nach Mekka und zeitlich unbegrenzt.


Bilder sprechen
Facing Mecca berührt mich durch seine starken Bilder. Durch das Bild des ewig gestressten Gemeindepräsidenten, den die ganze Sache mit der verstorbenen Muslima einfach nur nervt. Durch das Bild der schnippisch wirkenden Gemeindeangestellten, die Roli auf die Öffnungszeiten der Gemeinde verweist. Aber auch das Bild der Kassiererin des Quartierladens, die voller Wärme und Anteilnahme mit Roli über die Vorgänge spricht. Da ist auch das Bild der dunklen und engen Baracke, die als Asylunterkunft dient: Aufgehellt durch das trotz der Trauer helle und freundliche Lachen der Kinder der Verstorbenen. Und da ist besonders auch das Bild des muslimischen Bestatters, der das grosszügige Trinkgeld Rolis zurückweist: Dafür nehme er kein Geld. Und er trinke auch nicht. Es sind diese Bilder, die in ihrer Eindringlichkeit mit dem Zuschauer das machen, was Roli macht: Sie berühren, sie sind unbequem, sie hinterfragen, sie sprechen das Herz an.


Die Sache mit den Kühlschränken
An den Kühlschränken bleibe ich hängen. Roli bringt zu Beginn des Films einen Kühlschrank zu einer vermeintlichen Sammelstelle. Doch diese entpuppt sich als Asylunterkunft; die unpersönlich entsorgten Kühlschränke sind wohl die Folge eines Aufrufs, der Asylantenfamilie wenigstens einen Kühlschrank zur Verfügung zu stellen. Am Ende des Films spielen die unentwegt fröhlichen Kinder Fareeds in und zwischen den Kühlschränken Versteckis. Was wie ein Fremdkörper im Film wirkt, dem man kaum Beachtung schenkt, erweist sich bei mehrmaliger Sichtung des Films als Sehhilfe: Sie sind lästig, diese Kühlschränke, obwohl ja alle wissen, dass man sie nicht einfach so entsorgen kann. Sie sind so lästig wie vielen die Flüchtlingsfrage: Nun muss man sich auch noch um dieses Problem kümmern. Doch Roli gibt grad zu Beginn des Films einen wichtigen Hinweis: Die kann man nicht einfach so deponieren. Da muss man sich doch drum kümmern. Ich kann nur vermuten, was er damit meint …

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