Franzisca Pilgram-Frühauf und Kirsten Jäger stellen sich vor

Kirsten Jäger und Franzisca Pilgram-Frühauf arbeiten seit Oktober im Relimedia und begegnen sich im Gespräch. Dabei stossen sie auf Gemeinsamkeiten zwischen ihren jeweiligen Schwerpunkten, Film und Literatur, und zwischen Kunst und Theologie.

Franzisca Pilgram: Schön, dass wir im Relimedia als Arbeitskolleginnen aufeinandertreffen. Und nun bin ich neugierig … Woher kommst Du? Was hat Dich in den letzten Jahren beschäftigt?

Kirsten Jäger: Ich habe in Basel und Montpellier Theologie studiert und war zehn Jahre lang im Gemeindepfarramt tätig. Im Unterricht, aber auch in der Erwachsenenbildung habe ich sehr gerne mit Medien gearbeitet. Berufsbegleitend und als Assistentin in der Praktischen Theologie Bern habe ich mich in die empirische Sozial- und Religionsforschung eingearbeitet und zur Kleidungspraxis im Pfarrberuf geforscht. Seit einiger Zeit untersuche ich digitale Formen kirchlicher Präsenz und Verkündigung und analysiere dabei audiovisuelle Beiträge im Netz.
Ich begeistere mich für Film und habe generell ein grosses Interesse an darstellender, aber auch bildender Kunst: Theater, Videokunst, Malerei, Fotografie u.v.a. Spannend finde ich die Querverbindungen zwischen Film und Religion bzw. Theologie.

Franzisca Pilgram: Wenn du so erzählst, entdecke ich sofort einiges, was uns verbindet: unter anderem die Faszination für künstlerische Zugänge. Bei mir liegen die Schwerpunkte vor allem in der Musik und natürlich in der Literatur. Ich habe an der Uni Zürich Germanistik und Theologie studiert und konnte anschliessend, während meiner Assistenzzeit in der Systematischen Theologie, beide Studienrichtungen noch vertiefen. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Ich erkannte, wie es sowohl in der Literatur als auch in der Theologie immer wieder neu darum geht, menschliches Leben und Zusammenleben zu verstehen. Und vor allem auch Fragen zu stellen: Woher kommen wir, wohin gehen wir und wozu sind wir da?

Kirsten Jäger: Diese grundlegenden menschlichen Fragen begegnen auch im Genre Film. Sie haben mich seinerzeit dazu bewogen, Theologie zu studieren. Im Pfarramt sind sie mir dann ebenfalls häufig begegnet, etwa in der Seelsorge. Wo hast du praktische Erfahrungen gesammelt?

Franzisca Pilgram: Als Deutsch- und Religionslehrerin an Gymnasien, in den letzten Jahren dann am Diakoniewerk Neumünster in Zollikerberg, aber auch als Mitarbeiterin an der Professur für Spiritual Care hier in Zürich. Im Pflegealltag wächst vielerorts das Bewusstsein, dass sich Menschen gerade in Grenzsituationen oft intensiv mit ihrer Spiritualität auseinandersetzen und dabei auf Grundtexte des Glaubens, auf vielfältige Symbole, Lieder und Gedichte zurückgreifen. Pflegende und Begleitende in Weiterbildungen dafür zu sensibilisieren, war in den letzten Jahren eine meiner Hauptaufgaben. In Weiterbildungen habe ich übrigens auch oft mit Filmausschnitten gearbeitet. Warum eignen sich Filme eigentlich besonders gut für den Unterricht und die Gemeindearbeit?

Kirsten Jäger: Filme präsentieren ein Thema in einer stark verdichteten Weise.
Sie lassen sich gut als Einstieg zu einer Unterrichtseinheit oder Veranstaltung verwenden, da sie meist sehr unmittelbar Emotionen und Fragen wecken und Problemstellungen sichtbar machen. Zur Vertiefung eingesetzt, können sie zusätzliche Facetten und Dimensionen einer Thematik aufzeigen. Am Schluss einer Einheit verankert ein Film die gewonnenen Erkenntnisse – es kann zudem ein Erfolgserlebnis sein, wenn man aufgrund des Gelernten einen Film besser versteht. Er gibt dem Ganzen jedoch oft nochmals eine neue Wendung. Filme sollen ein Thema gar nicht zu sehr «auf den Punkt» bringen, sondern die Zuschauenden zu einer eigenen Positionierung anregen. Das gilt sogar für die klassischen Lehrfilme, obwohl diese natürlich schon Antworten zu einer Fragestellung anbieten.
Ich finde übrigens, man sollte Filme, genau wie biblische Texte im Gottesdienst oder in der Predigt, nicht nur als Illustration zu einer Aussage verwenden, sondern sie in ihrer eigenen Logik und manchmal Sperrigkeit respektieren, damit sie ihre Kraft entfalten können. Der Film – wie auch der biblische Text – ist ein Dialogpartner, ein «lebendiges Wesen», das eigenwillig sein kann. Wenn man sich auf diesen Eigen-Sinn einlässt, entsteht neue Erkenntnis. Zum Beispiel Mut, Hoffnung, der Impuls zum Handeln, oder etwas anderes.
Einen Film im Unterricht oder in einer kirchlichen Veranstaltung abzuspielen, ist, wie wenn man einen Gast einlädt, einen Referenten oder eine Expertin. Seine Gäste wählt man sorgfältig aus, was aber nicht heisst, dass man mit ihnen einer Meinung sein muss. Die Einführung und Einbettung ist jedoch wichtig, gerade wenn der Film etwas sperrig ist oder voraussichtlich starke Emotionen auslöst.

Franzisca Pilgram: «Sperrige Gäste» – das gefällt mir. Das erinnert mich auch an Gedichte. Was du zu Filmen gesagt hast, gilt für poetische Sprache oft genauso. Sie bietet Widerstand, enthält Unerwartetes und Leerstellen – und gibt gerade deswegen zu denken. Es gibt Gedichte, die lassen einen nicht mehr los. Kürzlich hat mir eine Frau erzählt, dass ein Gedicht von Rilke sie schon seit der Jugend begleitet, in guten wie in schlechten Zeiten. Und auch die Psalmen: Seelsorgerinnen und Seelsorger bestätigen mir immer wieder, dass sie in Zeiten der Sprachlosigkeit helfen können. Verrätst du mir, was deine Lieblingsfilme sind?

Kirsten Jäger: Da gibt es viele! Drei Filme, die mir sehr gefallen, sind: «Ultima Thule» (Hans-Ulrich Schlumpf), «Dead Man» (Jim Jarmusch) und «Stalker» (Andrei Tarkowski). Vom Tempo her sind alle drei eher langsame Filme mit Road-Movie-Charakter und eindrücklicher Ästhetik. Ich bin aber auch auf den neuen «Matrix»-Film von Lana Wachowski gespannt, der sicherlich weit tempo- und actionreicher sein wird. Manchmal schaue ich gerne Komödien wie «The Full Monty», «Four Weddings and a Funeral» oder «Notting Hill» (ich mag die Szene, wo die Protagonisten darüber diskutieren, wer das letzte Brownie erhalten soll, weil er oder sie die tragischste Geschichte zu erzählen hat). Eindrücklich finde ich auch Animations- und Zeichentrickfilme wie «Persepolis» (Marjane Satrapi) oder «Waltz with Bashir» (Ari Folman). Im Relimedia-Angebot gibt es viele coole Kurz-Animationsfilme; ich bin gerade daran, sie zu entdecken. Worauf freust du dich im Relimedia besonders?

Franzisca Pilgram: Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit im Team und darauf, mit Relimedia-Kundinnen und -Kunden ins Gespräch zu kommen. Relimedia ist ein Ort der Begegnung. Denn ein solches Medienzentrum führt ja das ganze Spektrum von Konfessionen und Religionen vor Augen und wirkt dadurch unverkrampft verbindend. Relimedia ermutigt auch zu Begegnungen zwischen den Generationen, mit Medien für alle Lebensphasen – religiöse Bildung und Auseinandersetzung mit der eigenen Spiritualität sind mit einem lebenslangen Lernen verbunden. Und Bücher, Bilder, Legematerial … Das alles weist sie darauf hin, dass dieser Lernweg den ganzen Menschen betrifft, mit Kopf, Herz und allen Sinnen.

Kirsten Jäger: Ich freue mich ebenfalls auf die Begegnungen im Relimedia, die Medienberatung und überhaupt den Umgang mit Medien: Mir gefallen auch Bücher, Spiele, haptische Medien. Letztere wecken bei mir selber einen gewissen Spieltrieb und sind manchmal einfach total schön. Mein Schwerpunkt wird jedoch der Bereich Film sein: der Erwerb von Filmen, die Beratung und die filmdidaktische Arbeit, also in Kursen, Weiterbildungen und Medienpräsentationen. Ich freue mich darauf, Filme einem Publikum (Unterrichtende, Vertreter*innen von Fach- und Verleihstellen) näherzubringen und über Möglichkeiten und Methoden des Einsatzes zu diskutieren und zu informieren.

Franzisca Pilgram: Und ich werde mich schwerpunktmässig dem Bereich Erwachsenenbildung zuwenden und ab Januar 2022 zwei Tage pro Woche im Relimedia arbeiten. Ich freue mich nicht zuletzt auch deswegen auf meine neuen Aufgaben, weil meine Familie sich mitfreut. Mit Kindern im Alter von 9, 11 und 13 Jahren sind wir mit allerlei Schul-Themen unterwegs, auch mit dem Fach RKE (Religionen, Kulturen, Ethik) und dem kirchlichen Unterricht. Und gerade haben wieder die Proben zum Kinder-Weihnachtstheater unserer Kirchgemeinde angefangen. Ich durfte dafür die Lieder texten.

Kirsten Jäger: Ich habe am 1. Oktober bei Relimedia begonnen – und bin eigentlich schon mitten drin in der neuen Arbeit. Ich freue mich sehr, dass ich in dieser neuen beruflichen Aufgabe meine verschiedenen Interessen und Leidenschaften so gut verbinden kann.
Ich danke dir für das spannende Gespräch!

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