Frühlingserwachen mit Resonanz

Wenn es rund um uns herum zu blühen beginnt, kann es geschehen, dass auch wir neu aufleben. Diese Fähigkeit, mitzuschwingen und sich von etwas berühren und verwandeln zu lassen, nennt Hartmut Rosa Resonanz. Als Soziologe erforscht er seit vielen Jahren, wie wichtig sie für unser Zusammenleben ist – in der Demokratie, aber auch im Klassenzimmer.

Im neuen Bestseller Demokratie braucht Religion, einem schmalen Band, der auf einen Vortrag beim Würzburger Diözesanempfang 2022 zurückgeht, beschreibt Rosa prägnant, wie viele Menschen verzweifelt nach alternativen Formen der Weltbeziehung, des In-der-Welt-Seins suchen. Und genau hier setzt auch seine These an: Die Gesellschaft ist auf die Kirche angewiesen. In einer Welt des Wachstums, der Steigerung und Verfügbar-Machung öffnen Religionen Räume, in denen auch das Unverfügbare Platz hat und somit Resonanzen entstehen können. Sie fördern Gemeinschaften, in denen jeder und jede in der Gemeinschaft eine Stimme bekommt, aber zugleich auch lernt, sich ansprechen zu lassen. Um ein «hörendes Herz» (1Kön 3,9) zu bitten, sei für die Demokratie überlebensnotwendig.

Dies gilt nicht nur auf politischer Ebene. Im Buch Resonanzpädagogik ergründet Harmut Rosa zusammen mit dem Pädagogen Wolfgang Endres, wie wichtig Resonanzbeziehungen und -erfahrungen auch im Unterricht sind. Zwar sei es im Trend, sowohl bei den Lernenden als auch bei den Lehrenden eine Vielzahl von Kompetenzen auszubilden. Diese bräuchten aber einen sinnstiftenden Rahmen, der zu einer offenen Fehler- und Diskussionskultur ermutigt und auf den Wert von Begegnungen und Beziehungen hinweist, die auch ohne Bildschirm auskommen.

In einer Zeit, in der psychiatrische Kliniken permanent an Kapazitätsgrenzen stossen, sich junge Menschen – aufgrund von Leistungsdruck, Verunsicherung oder beidem zugleich – in die Enge getrieben fühlen, sind das wichtige Hinweise, die aufhorchen lassen. Mit der Welt wieder neu und anders in Beziehung zu treten, ist das Bedürfnis vieler Menschen. Welche Resonanzerfahrungen lassen die Schule, der Religionsunterricht, die Kirchgemeinde zu?

Gewiss, Resonanz ist ein blosser Begriff. Was wirklich damit gemeint ist, erfahren wir erst, wenn wir sie in unserem alltäglichen Tun und Lassen erleben. Zum Beispiel wenn Frühlingsgefühle erwachen.

 

Zur Vertiefung:
Konzeptuelle Perspektiven auf Resonanz im Religionsunterricht werden im Sammelband Kompetenz, Performanz, Resonanz präsentiert.

Das soeben erschienene Kartenset von Wolfgang Endres und Michaela Brohm mit konkreten Impulsen aus der Positiven Psychologie zeigt Wege auf, im Unterricht auch Unverfügbares zuzulassen und Vertrauen zu stärken.

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