Herbergssuche – einmal anders

Es ist nur eine kurze Bemerkung bei Lukas: «Sie legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war» (Lk 2,7). So klein der Platz, den die Herbergssuche einnimmt, so gross seine Traditionsgeschichte. In zahlreichen Krippenspielen wird die Geschichte ausgeschlachtet: Da werden aus den Wirten herzlose Monster, die Josef und Maria nicht aufnehmen wollen; das Jesuskind muss auf Stroh und hartem Holz zur Welt kommen, weil die Eltern arm sind. Auf dem Höhepunkt dieser fantasievollen Ausgestaltung schickt eine Konsumentensendung an Weihnachten ein als Bettler verkleidetes Paar (sie ist hochschwanger) bei versteckter Kamera zu verschiedenen Pfarrhäusern, mit der Bitte um Herberge. Um dann entrüstet festzustellen, dass das Paar keine oder nur selten eine Bleibe im Pfarrhaus gefunden hat.

Grundsätzlich vertrete ich die Auffassung, dass die biblischen Geschichten weitererzählt werden sollten. Oder ausgemalt, ergänzt. Die Bibel ist das Ergebnis einer Tradierungsgeschichte. Gelegentlich begegnen mir Gedichte, Lieder, Bilder, Romane und auch Filme, die ich gern in meine Bibel einfügen möchte wie Bilder und Erinnerungsstücke in ein Reisetagebuch.

In diesem Kontext fiel mir in diesen Tagen ein Kurzspielfilm in die Hände: «Die Herberge». Nein, er ist gar nicht weihnachtlich: Es liegt kein Schnee, es glitzern keine Sterne und auch singen keine Engelschöre vor einem Weihnachtsbaum. Und doch ist es eine Geschichte, wie sie weihnachtlicher kaum sein könnte: Ein Ehepaar (ein schwäbisches, wohlgemerkt!) verläuft sich in Bayern auf einer Wanderung und kommt erschöpft an ein Gasthaus. Auf ihr Klopfen hin öffnet ein zunächst ungewohnt daherkommender Mann, augenscheinlich der Wirt. Er lässt die sich als Gäste Wähnenden ein, sie werden grosszügig mit einem eiligst erstellten Mezze bewirtet. Dass da irgendetwas nicht stimmt, hätten die Gäste bereits bei der Getränkeauswahl bemerken können: Statt des gewünschten «Gespritzten Weissen» gibt es «nur» Tee. Doch spätestens als die Gäste um die Rechnung bitten, kommt die Wende: Der vermeintliche Kellner ist erstaunt, fast empört über die Frage nach der Rechnung: «Nein, sie sind doch unsere Gäste»! Und nun fällt es wie Schuppen von den Augen: Statt wie erwartet in einem Gasthaus, sind die Wanderer in einem Asylantenheim gelandet, das sie normalerweise wohl kaum betreten hätten. Und als müsse man noch eins draufsetzen, begrüssen die Asylanten nun die Schwaben: «Willkommen in Deutschland». In der Begegnung der skeptischen Wanderer mit den spontan herzlichen und gastfreundlichen «Fremden» öffnet sich ein kleines Stück Himmel, geschieht etwas Weihnachten. Auch wenn Weihnachten im Herbst, und nicht in Nazareth, sondern in Bayern passiert (Aber mal ganz ehrlich: Wenn man sich ohnehin nicht ganz sicher ist, ob Jesus in Nazareth oder in Bethlehem geboren wurde, könnte es dann nicht auch Bayern gewesen sein?). Für einmal sind die Herbergssuchenden erfolgreich.

Pikantes Detail am Film ist der Umstand, dass die Geschichte nicht nur auf einer wahren Begebenheit beruht, sondern dass die ursprünglichen Protagonisten in einem ebenfalls auf der DVD enthaltenen Dokumentarfilm zu Wort kommen. Und ich bin mir nicht ganz sicher, welcher der beiden Filme mich mehr zum Schmunzeln bringt.

Ein besonderes, szenisches Juwel soll hier aber nicht vorenthalten werden: Der Kurzspielfilm endet damit, dass die drei Asylanten die Wanderer wieder auf den richtigen (Wander-)Weg führen. An einer Kreuzung bleibt der Schwabe unsicher stehen. Stimmt das, was ihm da als rechter Weg von den Asylanten gewiesen wird? Darauf seine Frau von der Seite: «Die müssen’s wisse, die sin doch vo hier!». Lässt sich hier auch noch die Geschichte der drei Weisen aus dem Morgenland festmachen?

Eine gute, vorweihnachtliche Suche wünscht Ihnen
Peter Weskamp

Kommentare

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  • Graber Markus

    Im isländischen Film „And breath normally“ ist ein ähnliches Motiv sehr schön dargestellt, eine Asylsuchende, welche einer Einheimischen und ihrem Kinde hilft…
    http://www.luebeck.de/filmtage/filmdb/files/2018/NFL_Katalog_2018_Seite_20.pdf

  • Gregor Gander-Thür

    Ein «gwundrig»-machender Beitrag!