Biblische Texte nachgedichtet
Wie von Gott reden? Vielleicht gelingt es an Weihnachten, mit Liedern und Legenden. Aber über Weihnachten hinaus in alltäglichen Begegnungen? Der Verlust religiöser Sprachmuster, von einigen beklagt, wird von vielen nicht einmal mehr wahrgenommen.
Unter dem Titel «Viele fürchten Verzückung» ist beim Theologischen Verlag Zürich soeben ein Buch erschienen, das die Frage neu aufleben lässt. Wäre «Verzückung» vielleicht ein Gegenmittel gegen religiöse Ernüchterung und Sprachlosigkeit? Verzückung sei Hingabe und Inspiration zugleich, lesen wir im Vorwort der Herausgeberin, Theologin und Dichterin Maria Claudia Schneebeli. Es komme dabei zu einer Begegnung mit dem Geist, der Menschen mit Worten und Visionen erfülle. Das Buch führt vor, welch kreative Kraft darin liegt, wenn poetisch kreative Theolog*innen und theologisch neugierige Schriftsteller*innen gemeinsam auf diese Worte hören und sich von ihnen inspirieren lassen. Entstanden ist ein kleiner Sammelband mit sechzehn Nachdichtungen in Prosa- und Versform, die auf kürzere oder längere Passagen aus den Samuel- und Königsbüchern antworten. Sie handeln von Alltäglichem: von Konkurrenz und Eifersucht, Identitätssuche und Kinderwunsch, vom Reden mit und über Gott.
Die zentrale Botschaft in diesem Gemeinschaftsprojekt ist einfach: Wir hören immer schon auf Vorlagen, wenn wir reden und schreiben. Wir reagieren immer schon auf andere, die vor uns darüber geschrieben haben, was sie belastet, begeistert oder eben: verzückt. So kann der Dialog zwischen Gott und Mensch in Form von Poesie auch immer wieder neu bezeugt werden. Im Buch gelingt dies sowohl den Beiträgen, die sich sorgsam an den Bibeltext herantasten, als auch den Nacherzählungen, die den alttestamentlichen Spuren über teils gewagte Zeitsprünge und Ortswechsel hinweg nachgehen.
Aber ist Verzückung alles? Die literarischen Zugänge anerkennen, dass auch eine gewisse Nüchternheit angesagt ist. Denn wie Elischa im Beitrag von Pierre Bühler feststellen muss, handelt es sich bei der biblischen Vorlage nicht etwa um eine «glatte, reine Schrift», «die keine Schwierigkeiten macht». Die gewählten Passagen aus den Samuel- und Königsbüchern enthalten da und dort auch «Widerständigkeiten» und offene Fragen. Können sie vielleicht gerade deshalb auch in unsere Tage hinein weitersprechen, vielleicht sogar zu einer «heilsamen Herausforderung» werden? Die Autor*innen des Bandes haben die Herausforderung angenommen. Sie präsentieren selbst vielfältige Sprachmuster, die den Leerstellen und Fragen nicht aus dem Weg gehen, sondern auch die Leserinnen und Leser neugierig machen. So spornen sie an, die Geschichten von David und Saul, Samuel und Elija, Michal und Rizpa, und wie sie alle heissen, nochmals neu zu lesen – und auch immer wieder neu nach der eigenen Glaubenssprache zu suchen.
«Religion verdichtet»
Relimedia bietet 2023 via Zoom vier kurze Weiterbildungssnacks mit literarischen Vertiefungen zu bestimmten Themen an. Ziel ist es dabei, Impulse und Handreichungen für die Gemeindepädagogik weiterzugeben.
– 7. März 2023: Brot und Wein
– 30. Mai 2023: Schöpfung
– 26. September 2023: poetische Zugänge zum Älterwerden
– 7. November 2023: autobiografisches Schreiben
(jeweils 15.30–17.00 Uhr)
Wir freuen uns auf Ihre Anmeldungen!
Link zu unseren Veranstaltungen
Zum Weiterlesen:
Peter Sloterdijk, Den Himmel zum Sprechen bringen. Über Theopoesie, Berlin: Suhrkamp 2022.
Hans-Joachim Höhn, In Gottes Ohr. Von der Kunst poetischer Gottesrede, Freiburg: Herder 2022.
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