Himmel oder Hölle?

Es gab Zeiten, in denen Himmel und Hölle zum regelmässigen Sprachgebrauch auch in der Kirche gehörten. Oben ist der Himmel, unten die Hölle. Wer nach oben geht, nähert sich dem Himmel, wer  sich nach unten bewegt, kommt irgendwann in der Hölle an. Aufstieg ist positiv besetzt, Abstieg in der Regel negativ.

Aufstieg und Abstieg des Menschen bebildert  der neue Animationsfilm „Rolltreppe“, den Relimedia aktuell anbietet. Urtypische Menschen steigen eine Rolltreppe in grossen Schritten hinauf: Sie sind nackt, erkennbar als Mann und Frau, unbehaart, muskulös, ihre Körper von Narben und Warzen entstellt, ihre Augen schlangengleich schlitzartig und gelb. Es sind glücklose Menschen – hart, gefühllos, rücksichtslos aufstrebend. Ihr Tun ist so ungewöhnlich wie ihr Aussehen: Man sollte meinen, auf einer Rolltreppe steht man, lässt sich emportragen. Doch diese Rolltreppe ist anders: Sie fährt nur abwärts, während die Menschen der Fahrtrichtung entgegen nach oben laufen. Eine aufwärts führende Treppe gibt es nicht. Und sie ist scheinbar unendlich lang. Ganz am Ende sieht man einen hellen Punkt, sowohl am oberen wie auch am unteren Ende der Treppe. Wo das eigentliche Ziel ist (Oben? Unten?), lässt sich nicht erkennen.

03_Rolltreppe-Treppenmaschinerie

Die Bilder des Films „Rolltreppe“ sind bedrückend, verstörend. Ein gigantisches Ensemble von ineinandergreifenden Zahnrädern und Wellen scheint um seiner selbst willen da zu sein, einen Sinn, einen Grund, ein Ziel scheint es nicht zu geben. Die Menschen laufen einfach. Sie laufen, weil ihnen erklärt wird, dass die Progression notwendig ist, dass Stillstand Abstieg bedeutet. In diesem System haben Zweifel, Gefühle, Menschlichkeit keinen Platz und keine Zeit. Der Weg selbst, die Erfahrung des Menschen auf diesem Weg ist Hölle.

Und doch – „Rolltreppe“ löst eine Sehnsucht aus. Den Wunsch, sich einmal für einen kleinen Augenblick nur ungestraft ausruhen zu dürfen. Und genau hier, von dieser Plattform, diesem Moment des Innehaltens aus spricht der Animationsfilm Erfahrungen und Fragestellungen dieser Zeit und dieser Gesellschaft an: Wohin bewegen wir uns? Wo ist oben und wo unten? Was erwartet uns oben oder unten? Lohnt sich unsere Anstrengung? Halten wir das durch? Welche Alternativen haben wir?

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