Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche stellen Fragen zu religiösen Themen und suchen nach Antworten, die sie persönlich etwas angehen. Sie kommen miteinander ins Gespräch, reden über Gott und die Welt … Von dieser Grundidee lässt sich ein religionspädagogischer Ansatz leiten, der sich aktuell grosser Beliebtheit erfreut: Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen.

Ganz so einfach ist es aber nicht. Denn steht der Wunsch, die Schüler*innen in einen spannenden und engagierten Dialog zu führen, nicht im Widerspruch zur Beobachtung, dass Wissen und Interesse oft nur noch vage vorhanden sind, Klassen immer heterogener werden und die Verantwortung, Bildungsprozesse in und über Religion(en) anzuregen, ganz bei den Lehrpersonen liegt?

«Als ob es Gott gäbe …», «Kommt Gott im Leben vor?», «Es muss ja nicht alles Sinn machen», «Was Religion für Krisen taugt», «Religion subjektorientiert erschliessen» … Gleich mehrere Titel, die in den letzten Monaten neu im Relimedia eingetroffen sind, widmen sich diesem Spannungsfeld. Gemeinsames Anliegen ist es, Religionspädagogik immer wieder neu auf die Lebenswelt abzustimmen und Schüler*innen auch aus religions- und bildungsfernen Milieus mit einzubeziehen. Die Befunde und Schlussfolgerungen, die teilweise aufwändigen Forschungsarbeiten entspringen, sind es wert, im Unterrichtsalltag umgesetzt zu werden. Einige davon sind im Folgenden ganz knapp zusammengefasst – vielleicht als Denkanstösse für das neue Schuljahr?

  1. Statt Defizitorientierung und dem besorgten Blick auf die Wissenslücken steht beim Theologisieren die Ermutigung zum Mitdenken und Mitdiskutieren im Vordergrund.
  2. Die Perspektive ist prozessorientiert und ergebnisoffen.
  3. Theologisieren macht Religionsunterricht zu einem Ort, miteinander in Kontakt zu kommen und voneinander zu lernen. (Die Gruppendynamik hat dabei einen grossen Einfluss auf das Gelingen.)
  4. Spontan benutzen Kinder und Jugendliche oft logisch-begriffliche Deutungsmuster, die ihnen von der schulischen Textarbeit her vertraut sind, die bei biblischen Erzählungen, Gleichnissen, poetischen Texten aber oft zu kurz greifen.
  5. Mit assoziativ-spielerischen Zugängen zum Theologisieren entdecken Schüler*innen oft neue, kreative, manchmal auch erfrischend verrückte Perspektiven auf biblische Texte.
  6. Jugendliche benutzen oft ironische Sprechweisen. Diese helfen, Ambivalenzen zu verstehen und auszuhalten, können aber auch Anzeichen destruktiver Abwertung oder Frustration sein. (Hier gilt es, zu unterscheiden und besonders gut hinzuhören.)
  7. Der Ermöglichungsraum des Theologisierens muss gendersensibel sein, um verschiedene Identifikationsfiguren anzubieten.
  8. Lebenswelt und Biografie der Schüler*innen gewinnen beim Theologisieren an Bedeutung.
  9. So kann der Religionsunterricht auch in Krisen und Unsicherheit ein Lernen fördern, das Abstand nimmt von Vorstellungen, dass man das Leben meistern muss und nur Leistung zählt.
  10. Theologisieren schafft Raum für Gedankenexperimente: für die existenziellen Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu des Lebens, die alle betreffen.

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